Zeitzeuge Hartwig Kluge im Gespräch

Am 16. April 2021 hatte die internationale Klasse des Wirtschaftsgymnasiums (J2) die Möglichkeit, mit einem Zeitzeugen der DDR zu sprechen. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Unterrichtsfaches Geschichte mit Gemeinschaftskunde bei Frau Frommer statt.

Eine wichtige erste Erfahrung – nicht nur für uns Schüler*innen, die einen interessanten und auch sehr persönlichen Einblick in das Leben der Menschen bekommen konnten, die in unserem Alter waren, als sie Unfreiheit erlebt haben; sondern auch für unseren Gesprächspartner, Hartwig Kluge, der einen digitalen Vortrag bei uns hielt. Herr Kluge machte vor über 50 Jahren sein Abitur in der DDR und hatte große Pläne für seine Zukunft. Er wollte Lehrer werden und studieren. Doch im System der DDR durfte er nicht – wie wir heute – nach dem Abitur, ein Studium anfangen. Denn sein Vater war Tierarzt, also kein Arbeiter und Herr Kluge war auch kein SED-Mitglied. Folglich wurde er trotz guter Noten nicht zum Studium zugelassen und sollte in einer Fabrik arbeiten. Er glaubte einen Weg zu finden, seine Ziele erreichen zu können und plante eine äußerst spektakuläre Flucht, über die ungarische Grenze, nach Jugoslawien. Sein Fluchtversuch scheiterte und seine Zukunftspläne vorerst auch. Die nächsten 18 Monate war er in verschiedenen Zuchthäusern inhaftiert. Durch seinen Versuch, den Osten zu verlassen und endlich in Freiheit leben zu können, wurde er als Systemgegner diffamiert. Bis zum Ende seiner Haft blieb er seinen Werten treu und weigerte sich, mit dem Unrechtsstaat zu paktieren. Im Jahr 1970 wurde er unwissentlich von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft und konnte von nun an in Freiheit leben. Herr Kluge zog nach Freiburg und ein halbes Jahr später begann er sein Jura-Studium. Heute lebt er ein friedliches Leben und hält Vorträge über seine persönliche Geschichte. Doch die enorme Brutalität, die er in jungen Jahren ertragen musste, hat ihn sein Leben lang, bis heute gezeichnet.

Unsere Klasse war positiv überrascht von dem Gespräch mit dem 72-Jährigen Zeitzeugen, der all unsere Fragen beantworten konnte. Auch mit Blick auf die aktuellen Proteste der „Leerdenker“, konnte Herr Kluge zu Behauptungen wie „Wir leben in einer Diktatur!“, klar Stellung beziehen als jemand, der das Leben in einer Diktatur in voller Härte am eigenen Leib erfahren hat. Abschließend gab er uns seinen persönlichen Rat für die Zukunft: Wir sollten unsere Freiheit nutzen und offen für neue Erfahrungen sein.

Die Klasse WGIJ21 zusammen mit Frau Frommer bedankt sich recht herzlich bei Herrn Kluge für 90 Mi-nuten Geschichte, die noch viel mehr waren – eine Unterrichtsstunde fürs Leben!

Marvin Ernst (WGIJ21)